Größere Kreise

15.12.2013

Das Frühstück nehmen wir im zweckmäßig eingerichteten und halbwegs aufgeräumten Aufenthaltsraum von Eva’s Backpacker ein, schmieden anschließend Pläne. Zunächst müssen wir an unserer Mobilität arbeiten.

Don't even think of parking here
Denk nicht mal dran, hier zu parken.

Bis zur Bahnstation King’s Cross ist es nur ein kurzer Fußmarsch durch eine Straße, die scheinbar nur für Versorgungszwecke gebaut ist: Umherstehende Mülltonnen bilden Schikanen für uns. Freundlich, aber bestimmt wird darauf hingewiesen, dass man sich Parken hier besser aus dem Kopf schlägt. Wer das nicht versteht, dem ist nun wirklich nicht mehr zu helfen. Überhaupt ist das Auto kein empfehlenswertes Fortbewegungsmittel in Australiens größter Stadt, das haben wir bereits gestern auf der Taxifahrt vom Flughafen zu Eva’s mitbekommen. Stockender Verkehr ist Normalität, und die Parkgebühren haben sich ebenfalls gewaschen – wenn man denn einen Parkplatz findet.

Wir haben gerade gar kein Auto – und damit einige Probleme weniger. An der Bahnstation fragen wir nach der besten Möglichkeit eines Bahntickets für die vor uns liegende Woche. Nachdem die freundlichen Angestellten uns mehrmals ein „Family Funday Sunday“ Ticket – „nur 2,50 AUD pro Person und den ganzen Tag mit allen Verkehrsmitteln fahren!“ andrehen wollen, entscheiden wir uns dennoch für drei MyMulti Wochentickets (Armella geht noch kostenlos durch), die wir ohnehin am Montag hätten kaufen müssen. Was sollen wir da zusätzlich noch 10 Dollar investieren, Familienspaß hin oder her?

Die regionalen Züge – wir haben bis zum Schluss unserer Reise nicht herausbekommen, ob diese eigentlich als S- oder U-Bahnen bezeichnet werden wollen, sind nicht gerade ein Ausbund an Schnelligkeit, sie bieten uns aber den Vorteil, von King’s Cross aus überall hinzukommen, wonach es uns im Großraum Sydney gelüstet. Wohin fahren wir also an unserem ersten ganzen Tag in Sydney? Dorthin, wo sie alle hinfahren, Touristen, Kreuzfahrer, Aborigines, Taschendiebe, Eisverkäufer usw.: Zum Circular Quay.

Der „Kreisförmige Kai“ ist beim besten Willen höchstens halbkreisförmig, was laut Wikipedia auch der Ursprung der heutigen Bezeichnung ist. Er ist so etwas wie ein innerstädtischer Umschlagpunkt mit Magnetcharakter und damit so etwas wie die Hamburger S-Bahn-Station „Landungsbrücken“. An der Bahnstation fahren alle paar Minuten Züge auf dem „City Circle“ ab, dem innerstädtischen Kreis mit den weiteren Stationen „Town Hall“, „St. James“, „Wynyard“ und „Museum“. Auf den Kai ergießen sich morgens aus dem Bauch der großen gelbgrünen Fähren Sturzbäche von Pendlern aus den Vororten entlang des Sydney Harbour, vereinigen sich zu einem Strom, der sich sogleich wieder aufteilt in Bahnfahrer, Fußgänger und Radler, welche dann weitertreiben und -hetzen auf ihrem Weg zum Arbeitsplatz im Central Business District „CBD“. Ohne große Pause werden die Schiffe dann gekapert von den Touristen, welche den umgekehrten Weg nehmen und aus der City in die Vororte strömen.

Blick auf Sydney CBD
Blick auf Sydney CBD

Auch wir wollen so schnell wie möglich aufs Wasser, um uns eine zusätzliche Perspektive auf Sydney zu erlangen. Das ist eines der Dinge, in dem Katharina und ich bei Städtetrips, egal ob Paris, Rom, Lissabon oder Berlin, schon immer übereinstimmten: Zunächst einmal raus aus dem Gewühl und rauf auf den nächsten Berg / Hügel / Turm, oder eben hinaus aufs Wasser, um die Stadt erfassen zu können. Und so sehen wir den CBD das erste Mal beim Blick zurück auf den Kau, von dem sich unsere Fähre schnell entfernt.

An der Steuerbordseite lassen wir die Oper von Sydney liegen, bevor der Kapitän seine Fähre nach Backbord steuert und die Harbour Bridge passiert. Der bedeckte Himmel lässt das Stahlungetüm grau und schwer erscheinen. Die Brücke passt einfach verdammt gut zu dem Wetter. Ob es in den Zeiten des Baus genau so grau war?

Dann nimmt die Fähre Kurs auf den Darling Harbour, wo wir am National Maritime Museum aussteigen. Auf dem Leuchtturm wacht ein Weihnachtsmann über den Nachbau von Cooks Endeavour, welcher in der Außenausstellung des Museums liegt.

Nachbau der Endeavour im Darling Harbour
Nachbau der Endeavour im Darling Harbour

Inzwischen ist es Mittag geworden und die Sonne drückt die Hitze durch die Wolken hindurch.

Wir decken uns mit etwas Bananenbrot, Pasteten und weiteren Snacks ein, setzen zunächst unseren Spaziergang fort und anschließend uns auf die Zuschauertribüne des „Darling Harbour Amphitheater“. Dort werden wir Zeuge einer echt australischen Weihnachtsshow, ein Auszug ist hier zu sehen:

Was wir vielfach gelesen haben, scheint sich zu bewahrheiten: Weihnachten ist downunder eindeutig anders als zu Hause. Laut, schrill, grell, bunt, und noch dazu sehr stark von der englischen und amerikanischen Tradition geprägt. Der Grinch lässt grüßen.

Füße kühlen an den Tidal Cascades - Darling Harbour
Füße kühlen an den Tidal Cascades – Darling Harbour

Nach dem Ende der Vorstellung bummeln wir weiter am Hafen entlang, kühlen unsere Füße im schneckenförmig angelegten Brunnen „The Tidal Cascades“ und beobachten vier Streetdancer bei ihrer Vorführung.

Wie am Circular Quay sind auch am Darling Harbour einige Aborigines unterwegs, die Musik mit dem Didgeridoo – und einem iPad – machen. Auch die australischen Ureinwohner gehen mit der Zeit.

Unter dem Western Distributor Freeway stoßen wir auf ein sehr altes Karussell mit Pferden an Stangen und Autos, auf dem unsere Kids unbedingt  eine Runde fahren wollen. Anschließend nehmen wir den direkten Weg zur Bahn und weichen damit der größer werdenden Hitze aus.

Sehr angenehm ist es auf der Dachterrasse von Eva’s Backpacker, wo sich bereits am Nachmittag die Großstadtmüden Bewohner versammelt haben. Müde ist das richtige Stichwort: Arvid rafft es bereits vor dem Abendbrot dahin, weder zur Mahlzeit noch danach ist er wach zu bekommen. Dafür wird die Nacht etwas unruhiger, denn der Hunger kommt dann in der Nacht.

Es ist ein paar Jahre her, dass Katharina und ich die letzten Fernreisekilometer unter die Flügel genommen haben, aber so stark hatte ich den Jetlag nicht in Erinnerung. Die Müdigkeit ist dabei nur die eine Seite der Medaille, dazu kommen Klimaveränderung und tatsächlich das Verdauungssystem, welches zu den unmöglichsten Zeiten nach Nahrung verlangt.

Nächstes Kapitel – Auf Tour

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