
Mein Heimatort Escheburg („bei Hamburg“) hat es heute in die Tagesschau geschafft.
Danke für die Glückwünsche, jedoch ist die Ursache leider weniger erfreulich: Bereits gestern wurde ein Brandanschlag verübt auf ein Haus, welches als Unterkunft für sechs Flüchtlinge aus dem Irak dienen sollte. Heute sollten sie einziehen.
Verdammter Mist. #Escheburg:
Unbekannte zünden leerstehendes Asylbewerberheim an – LN http://t.co/LU5TpQVZTI— Michael Friedrich (@mifrie) February 9, 2015
Große Präsenz von Escheburg in den Medien
Lokale, regionale und überregionale Medien haben das Thema aufgegriffen und Escheburg quasi über Nacht zu trauriger Berühmtheit verholfen. Es macht mich sehr betroffen, den Namen unseres Ortes auf einmal in einer Reihe mit dem Möllner Brandanschlag von 1992 zu lesen. Auch wenn gestern offenbar nur Linoleum beschädigt wurde und glücklicherweise keine Verletzten zu beklagen waren, ist die ausgeübte Gewalt nicht zu rechtfertigen.
Wie kann es sein, dass jemand aus Escheburg oder Umgebung zu einer solchen Tat fähig ist? Mir bleibt das auch etliche Stunden später unbegreiflich!
Ein kurzer Blick zurück: Nachdem im vierten Quartal 2014 die Planungen zur Unterbringung von Flüchtlingen auf Touren kamen, hatte sich offenbar in den letzten Tagen die Lage konkretisiert. Als Ende letzter Woche feststand, dass das Haus in der Straße Am Golfplatz als Unterkunft eingesetzt werden soll, begannen Bürgermeister Rainer Bork und Grünen-Politiker David Oruzgani damit, die unmittelbare Nachbarschaft persönlich zu informieren, stießen jedoch auf große Ablehnung.
Nicht schlüssig ist mir leider bisher, ob die Arbeiten zur Einrichtung des Hauses bereits begonnen hatten, noch bevor der erste Bürger informiert worden ist. Hier gilt es für die Gemeindevertreter, schnell Stellung zu beziehen und ihre Vorgehensweise nachvollziehbar zu erläutern.
Späte Information führt zu Ängsten
Was ich gut verstehen kann: Dass die Entscheidung, sechs Männer aus dem Irak mitten in einem Wohngebiet unterzubringen, zunächst einmal zu großer Unsicherheit in der unmittelbaren Nachbarschaft geführt hat. Erst recht dann, wenn sich diese Information vor der offiziellen Kommunikation ihren Weg gebahnt hat – wie es bei dem gut informierten „Buschfunk“ in Escheburg häufig der Fall ist. Aus Unsicherheit entstehen dann schnell Angst, Ablehnung oder schlimmeres.
Ich war leider weder bei den Gesprächen mit Rainer Bork noch bei dem Auflauf im Büro der leitenden Verwaltungsbeamtin des Amts Hohe Elbgeest, Brigitte Mirow, dabei. Dass hier von Seiten der Gegner einer Flüchtlingsunterkunft nicht sachlich argumentiert wurde, kann ich mir gut vorstellen, angesichts der Brisanz und Dringlichkeit des Themas. Ich habe mich heute gefragt, wie ich wohl reagiert hätte, wäre statt eines ein paar Straßen entfernten Grundstücks mein Nachbarhaus betroffen gewesen. Selbst wenn ich das Ganze rein rational positiv gesehen und sicher aus humanistischen Gründen das Vorgehen goutiert hätte, könnte ich doch nicht ausschließen, dass auch mich ein komisches Gefühl beschlichen hätte.
Und im Nachhinein lassen sich solche Gefühle schwerlich ausräumen.
Der Schaden haben alle Escheburger
Nichts rechtfertigt jedoch die Bereitschaft zur Gewalt, die hier zutage gekommen ist. Ich frage mich, ob der Täter / die Täterin auch einen Tag später noch so beherzt zum Kanister gegriffen und diesen durch das Fenster aufs Linoleum geschleudert hätte, im Wissen dass sich Menschen in der Unterkunft befinden. Oder wurde hier eine „gute Gelegenheit“ gesucht und gefunden, die Sache mit den ungeliebten Nachbarn noch vor deren Eintreffen zu regeln?
Allerdings schaden solche Taten letztlich uns allen – in vielerlei Hinsicht:
- Das Vertrauen in die Nachbarschaft geht verloren.
- Die Angst vor dem/den Fremden Menschen weicht der Angst vor dem Unbekannten im Bekannten.
- Der Ruf von Escheburg und derjenigen, die dort wohnen, wird beschädigt.
- Weniger Menschen könnten in Escheburg bleiben oder dorthin ziehen wollen, was wiederum Einfluss hat auf die bestehende und geplante Infrastruktur, vielleicht sogar den Wert von Häusern und Grundstücken…
Kurz: Niemandem ist gedient. Es ist daher Zeit etwas zu tun in Escheburg. Jetzt.
Ideen und Initiativen sind gefragt
Wer macht denn etwas? Schauen wir uns einmal kurz im Netz um, zunächst bei den politischen Parteien:
Der Escheburger Ortsverband der GRÜNEN verurteilt „den feigen und menschenverachtenden Anschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Escheburg“ und arbeitet weiter daran, „dass Menschen, die aus Not ihre Heimat verlassen, in unserer Gemeinde einen sicheren Zufluchtsort finden!“ Aha. Interessant allerdings: Der Kreisverband Mölln organisiert am kommenden Sonntag 15.02. einen Workshop zum Thema Flüchtlinge. Zufall oder Reaktion auf die jüngsten Ereignisse?

Die Escheburger Wählergemeinschaft berichtet – zusätzlich zur für Escheburger Verhältnisse riesigen Medienpräsenz rund um Rainer Bork – kurz unter der Überschrift „Brandanschlag auf Flüchtlingswohnung“, verweist darin auf den aktuellen Beitrag des NDR, zeigt sich geschockt und betont dann die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen, die in ihrer Heimat „alles verloren haben“.
Die Escheburger SPD hat online (Stand 10.2. 23:30 Uhr) nichts zu dem Thema mitzuteilen.
Und die CDU ist online nicht aufzufinden…
Auch die evangelische Kirchengemeinde Hohenhorn hat das Thema bisher nicht online behandelt. Aber vielleicht erwarte ich da auch zu viel. (Schließlich sind es bis zum nächsten Sonntagsgottesdienst noch gut vier Tage hin.)
Was mir aktuell fehlt? Eine Initiative, die – womöglich parteiübergreifend und getragen von aktiven und engagierten Escheburgern – dafür sorgt, dass die negativen Eindrücke der vergangenen Tage nicht an unserem schönen Ort hängenbleiben. Darunter verstehe ich zum Beispiel die Bearbeitung folgender Themen:
- Welche Anknüpfungspunkte kann eine intakte Gemeinde Flüchtlingen bieten?
- Welche Grundausstattung benötigen Asylbewerber? Können wir etwas dazu beitragen?
- Welche Ängste bestehen auf Seiten der Escheburger Einwohner und wie können wir helfen, diese abzubauen?
- Welche Erwartungen haben Flüchtlinge an Escheburg?
- Welche Erwartungen haben wir Escheburger Bürger?
- Wie kommen wir ins Gespräch?
- Wie gehen wir miteinander um?
- Wie helfen wir uns?
- Wie sorgen wir dafür, dass Konflikte wie der jetzt offen ausgebrochene frühzeitig angesprochen und behandelt werden?
Auch wenn ich derzeit hauptsächlich am Wochenende in Escheburg bin, würde ich eine solche Initiative gern unterstützen.
Erste Ansatzpunkte habe ich in der Präsentation Flüchtlinge Willkommen Heißen von Brigitte Mirow (Amt Hohe Elbgeest) vom 1. Dezember 2014 gefunden, aber es gibt sicher noch weitere Ideen.
Habt ihr spontan Ideen, wie wir mit Flüchtlingen umgehen wollen? Seid ihr überhaupt nicht einverstanden? Fallen euch weitere Fragen ein? Gibt es bereits eine Initiative, die sich um Flüchtlinge kümmern möchte und ich weiß nichts davon? Dann hinterlasst bitte eure Anregungen, Meinungen und Gedanken unten als Antwort auf diesen Beitrag.
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