Klarstellung: Hans-Dietrich Genscher ist nicht tot! Zumindest ist das am heutigen 29.06.2009 mein Stand der Dinge. Warum aber dieser Artikel über den angeblichen Tod des Ex-Außenministers und „Mister Gelber Pullunder“ Genscher?
Nun – ich habe mich nach dem plötzlichen Tod von Michael Jackson vor vier Tagen häufiger gefragt, wer eigentlich in der Lage ist, aus dem Ableben eines Prominenten am meisten Kapital zu schlagen. Die Erben? Oder doch – Achtung Generalverdacht! – die Medien? An dieser Stelle daher der Selbstversuch eines medial verseuchten Menschen (nämlich mir), mit dieser hier vorliegenden bewussten Falschmeldung über den Tod von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher „Kapital“ aus dem zu erwartenden Nachfrageboom zu schlagen.
Garnieren möchte ich die Genscher-Falschmeldung zunächst mit einem Comic, der mir heute früh im Netz über den Weg gelaufen ist und die Hilflosigkeit des Boulevard-TV angesichts einer mehr als dünnen Faktenlage am Beispiel des Tods eines Prominenten sehr schön illustriert.
Quelle: http://stereotypist.livejournal.com/131545.html
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Sinngemäße Übersetzung am Beispiel Genscher (die Begriffe in Klammern können alternativ verwendet werden):
- [Eine Berühmtheit || Genscher] ist gestorben, wir gehen live zu einem Ort, der nur am Rande interessant für die Sache ist.
- David, passiert da gerade irgend etwas?
- Nein.
- OK. Nun spricht jemand, von dem Sie noch nie etwas gehört haben über seine Meinung zu [dem Toten || Hans-Dietrich Genscher].
- Ich glaube [das || Genscher] war ein großartiger Mensch.
- David, hast du neue Informationen?
- Nein, du?
- Nun eine hastig zusammengeschnittene Folge von Bildern, während jemand aus Wikipedia zitiert.
- [Die Person || Genscher] tat einige gute und einige schlechte Dinge.
- Jetzt kommt gerade eine Eilmeldung rein!! David?
- Hier haben sich etliche Leute um unsere Kameras versammelt!
- Was für eine Hammer-Story!
Dieser Comic enthält sehr viel Wahrheit – besonders angesichts der zum Teil erbärmlich anmutenden Versuche des Boulevards, mehr und andere Details als die Konkurrenz zu erhaschen. Da wird mehr über die Berichterstattung berichtet als über den Fakt selbst. („Zu dieser frühen Morgenstunde haben sich hier schon etliche Reporter und Kamerateams vor dem Haus des Toten versammelt.“)
Was hat das nun aber mit Hans-Dietrich Genscher zu tun? Eigentlich nicht so viel. Allerdings habe ich auf meiner Recherche zu diesem Artikel festgestellt, dass einige Online-Medien scheinbar schon „vorgearbeitet“ haben: Zum Suchbegriff Genscher tot findet sich bei Google eine Schlagwortseite von Focus Online ganz oben, die ihre aufgebaute Power zu dem Thema ganz schnell an aktuelle Artikel weitergeben kann: http://www.focus.de/schlagwoerter/hans-dietrich-genscher_tod/
Perfide? Zufall? Das lässt sich an dieser Stelle schwer erörtern. Zumindest kommen aber bei einer maschinellen Bereitstellung von Content-Aggregationsseiten über die Schlagwörter auch solche Nebeneffekte heraus. Der Focus wird zwar betroffen sein, den Traffic aber nicht verachten, sollte der 81-jährige Genscher in den nächsten Jahren tatsächlich dem Tod begegnen. Medien leben von der Menge der Meldungen. Sommerlöcher und andere meldungsarme Zeiten sind schwierige Abschnitte im Leben eines Mediums. Nachrufe liegen bekanntlich schon mehrere Jahre in den Schubladen, um bei Bedarf schnell publiziert zu werden. Und ist man erst einmal die Nummer 1 in den (Google) News, referenzieren darauf auch viele andere und machen die Meldung damit zur Originalquelle.
Finale Klarstellung: Dieser Artikel propagiert eine bewusste Falschmeldung. 29.06.2009: Hans-Dietrich Genscher ist nicht tot.